Die Befürworter eines Gewerbegebiets „Am Stork“ reden häufig von mehreren hundert Arbeitsplätzen, die damit „geschaffen“ würden. Gleichzeitig führen sie ins Feld, dass Gewerbefläche vor allem für Wetteraner Unternehmen vorgehalten werden müsse, und dass ansonsten ein spezielles Unternehmen aus der Nachbarschaft im EN-Kreis Umsiedlungsinteresse habe. Was bedeutet das für die Diskussion zum Stork? Ist solch eine Hoffnung wirklich berechtigt oder dienen Arbeitsplätze mal wieder als Totschlagargument?
Einflussmöglichkeiten und lokale Informationen
Die Schaffung tatsächlich „neuer“ Arbeitsplätze ist ein schwieriges Unterfangen, denn die Einflussmöglichkeiten von Kommunen auf regionale Arbeitsmärkte sind begrenzt. Entscheidend sind neben der allgemeinen Wirtschaftslage letztlich die Unternehmen und ihre Firmenpolitik. Brauchbare Aussagen zum Arbeitsplatzpotential lassen sich zudem nur treffen, wenn konkrete Unternehmen benannt werden, von denen dann auch bekannt ist, was genau sie vorhaben – dies ist beim Stork bislang nicht bzw. nur sehr spekulativ der Fall. Daneben ließen sich Erfahrungen aus benachbarten Gewerbegebieten (z.B. Schöllinger Feld, Am Nielande, Knorr-Bremse) zur besseren Bewertung heranziehen. Auch dazu gibt es kaum verwertbare Aussagen.
Zwei Fakten sind grundsätzlich wichtig:
- Die Arbeitslosenquote in Wetter ist bereits deutlich niedriger als der NRW-Durchschnitt und liegt auch unter dem Durchschnitt des Ennepe-Ruhr-Kreises.
- Wetters Pendlersaldo ist positiv. Es gibt mehr Einpendler als Auspendler, d.h. mehr Menschen kommen von anderswo nach Wetter zum Arbeiten als Wetteraner auswärts arbeiten (verbunden mit diesem „Einpendlerüberschuss“ ist eine gute „Arbeitsplatzdichte“).
Fragenkatalog der IG Stork
Da uns die geringe Menge brauchbarer Informationen zum wirtschaftlichen Bereich von Anfang an verwundert hat, haben wir bisher davon abgesehen, öffentlich näher auf dieses Thema einzugehen. Stattdessen haben wir nach einem längeren Gesprächstermin mit dem Bürgermeister und seiner Zusage, Fragen zu beantworten (ggf. auch in Form von Teilantworten), einen Fragenkatalog zusammengestellt. Diesen haben wir am 16. Juli 2009 schriftlich eingereicht.
- 34 Fragen der IG Stork zum Bebauungsplanentwurf (3 Seiten PDF)
Antworten haben wir bislang keine bekommen. Obwohl etliche Punkte einfach zu beantworten sind oder schon bearbeitet wurden, sollen wir diese Antworten laut Bürgermeister Hasenberg (Gespräch am 17. August 2009) erst nach der Kommunalwahl und auch erst nach der Offenlegung des Bebauungsplanentwurfs (also nach Ablauf der Einwendungsfrist) erhalten – wahrscheinlich sogar erst zu einer Ausschusssitzung im November 2009.
Allgemeine Aspekte bei An- und Umsiedlungen
Werden heimische Unternehmen innerhalb einer Stadt umgesiedelt, so dient dies in der Regel der Standortsicherung im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen – ein durchaus legitimes Anliegen der lokalen Wirtschaftsförderung. Neue Arbeitsplätze sind damit aber nicht notwendigerweise verbunden, denn der bestehende Arbeitnehmerstamm zieht ja mit um. Manchmal werden bei solchen Standortwechseln Arbeitsplätze abgebaut, manchmal kommen einige hinzu. Teilweise benötigen heimische Unternehmen im Laufe der Zeit auch einfach mehr Fläche, ohne dass dies jedoch spürbare Auswirkungen auf die Zahl der Arbeitnehmer hat. Flächenerweiterungen können etwa auf Grund veränderter Betriebsstrukturen nötig werden (erhöhter Lagerflächenbedarf o.ä.) und gerade an Altstandorten lassen sie sich oft nicht realisieren. Interessanter sind daher Fälle wirtschaftlicher Expansion, bei denen häufiger zusätzliche Arbeitsplätze in einem Unternehmen entstehen. Insgesamt betrachtet gibt es daher bei Umzügen innerhalb einer Stadt nur in bestimmten Fällen tatsächlich neue Arbeitsplätze.
Betriebe aus Nachbarstädten, die in einen anderen Ort umziehen, bringen meist ebenso ihre Belegschaft mit. Auch dabei werden prinzipiell keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, insbesondere dann nicht, wenn die Umsiedlung mit einer Rationalisierung der Betriebsabläufe einhergeht oder wenn unterschiedliche Standorte zusammengeführt werden. Derartige Umsiedlungen können – nicht immer, aber häufig – einem Nullsummenspiel gleichen, bei dem Arbeitsplätze lediglich von A nach B verlagert werden.
Bleibt noch der Fall, dass sich neu gegründete „junge Unternehmen“ oder Unternehmen ansiedeln möchten, die bisher an einem Standort „weiter weg“ ansässig sind. Diese bringen in der Tat meist ein lokales Plus an Arbeitsplätzen. Das gilt auch für die Eröffnung neuer Filialen größerer Unternehmen.
Randaspekte
Desweiteren fällt in der Arbeitsplatzdiskussion manchmal der Hinweis, dass während der Erschließung eines Gewerbegebiets doch auch temporäre Arbeitsplätze vor Ort vorhanden wären, u.a. in der Baubranche. Dieser Nebenaspekt kann für sich genommen jedoch nicht das mit erheblichen Eingriffen in Natur und Landschaft einhergehende Bauen „auf der grünen Wiese“ rechtfertigen.
Neben temporären Arbeitsplätzen kann ein neues Gewerbegebiet natürlich auch nachgelagerte Arbeitsplätze v.a. bei Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben sichern und zumindest teilweise neu entstehen lassen. Dies wirkt sich vor Ort allerdings nur dann aus, wenn tatsächlich heimische Firmen beauftragt werden. Häufig werden unter Kostenaspekten auswärtige Anbieter gewählt. Insofern ist auch dieser Effekt auf den Arbeitsmarkt begrenzt. – Eine interessante Überlegung am Rande ist, dass sich die Arbeitsmarktsituation in Wetter bereits grundsätzlich verbessern ließe, wenn Unternehmen und Privatleute möglichst konsequent ortsansässige Firmen beauftragen würden. (Anmerkung: Solch eine lokale Bevorzugung ist v.a. bei öffentlichen Aufträgen durchs Vergaberecht eingeschränkt.) Arbeitsplätze können also auch ohne den Neubau von Gewerbegebieten gesichert oder geschaffen werden, und zwar auf beständige Weise.
Abgesehen davon sollte eine Stadt wie Wetter, die sich regelmäßig ihrer lebenswerten Kulturlandschaft rühmt, in den letzten Jahrzehnten aber schon enorm viel Fläche verbraucht hat, fortan auf flächensparendes Bauen setzen. Im Sinne einer maßvollen und nachhaltigen Stadtentwicklung dürften solch flächenintensive Gewerbeansiedlungen, wie sie am Stork vorgesehen sind, grundsätzlich nicht mehr in Erwägung gezogen werden. – Die alte Regel des verarbeitenden Gewerbes „je größer die Betriebsfläche, desto mehr Arbeiter“ gilt schon länger nicht mehr.
Hohe Erwartungen
Die Stadtverwaltung hat im August 2009 den Wirtschaftsförderungsbericht 2007/2008 vorgelegt. Darin geht sie von einer „Beschäftigtenzahl zwischen 530 und 600“ im gesamten Plangebiet „Am Stork“ aus (S. 15). Dieser Schätzwert umfasst logischerweise – bei der eingangs geschilderten Zielrichtung – zahlreiche bereits in Wetter oder momentan in Nachbarstädten bestehende Arbeitsplätze, die lediglich räumlich verlagert würden.
Dazu zählen auch die rund 150 Mitarbeiter (S. 14), die eine konkret anfragende Firma aus dem EN-Kreis bei der Umsiedlung mitbringen würde. Diese Arbeitsplätze würden natürlich an den jetzigen Standorten wegfallen. Für jenes Unternehmen ist ferner ein Drittel der Nettobaufläche am Stork vorgesehen (S. 15), was 37,5 Arbeitsplätzen pro Hektar entsprechen würde. Zum Erreichen der prognostizierten Geamtbeschäftigtenzahl müsste es dafür in den verbleibenden zwei Dritteln deutlich mehr – 47,5 bis 56,25 – Arbeitsplätze pro Hektar geben.
Die politische Diskussion dreht sich vornehmlich um tatsächlich „neue“ Arbeitsplätze, d.h. um „echte“ Arbeitsplatzgewinne – oft verbunden mit einem indirekten Versprechen an die Arbeitslosen in Wetter (vgl. SPD-Pressemitteilung). Genau dazu schreibt die Verwaltung aber nichts. – Nun wäre es unrealistisch, davon auszugehen, dass am Stork kein einziger Arbeitsplatz neu entstehen kann. Genauso unrealistisch ist jedoch die Annahme, dass ein wirklich relevanter Teil der insgesamt erwarteten Arbeitsplätze tatsächlich als „neu“ gewertet werden kann.
Fazit
Wenn nun über den Arbeitsmarkt in Wetter und die Gewerbeplanungen am Stork diskutiert wird, gilt es genau zu prüfen und abzuwägen, was taugliche Argumente sind und was nicht.
Aussagen, nach denen am Stork „mehrere hundert Arbeitsplätze neu geschaffen“ würden, können getrost bezweifelt werden. Bei derartigen Formulierungen handelt es sich entweder um Populismus oder um Behauptungen, die aus generellem Unverständnis wirtschaftliche Realitäten missachten.
Neue Arbeitsplätze? Die paar kleinen Gewerbebetriebe schaffen mit Sicherheit keinen Ersatz für die verloren-gegangenen Arbeitsplätze bei der Knorr-Bremse und der Reme.
Ich halte es für Utopie und für einen ganz schlechten Stil, wenn die Städte sich untereinander die Betriebe abjagen, indem sie neue Gewerbegebiete ausweisen und die Firmen aus den Nachbarstädten mit irgendwelchen Rabatten (Kaufpreisminderung, Gewerbesteuerminderung oder was auch immer) anlocken.