Kurzhinweis vorab [2. Juli 2011]: Der folgende Beitrag entspricht teilweise nicht mehr dem aktuellen Sachstand. Unter anderem stehen mittlerweile 7 Gebiete mit jeweils mind. 10 Hektar Fläche in der engeren Auswahl. Wir werden bald eine gesonderte Dokumentation zu diesem Thema veröffentlichen. Bis dahin empfehlen wir einen Blick in die Drucksache 39/11 mit Kartenanlage und in den WR/WP-Artikel „Großer Zank um Gewerbegebiete“.
Nun ist die Katze aus dem Sack. Die Lokalausgabe Wetter und Herdecke der Westfalenpost/Westfälischen Rundschau titelte in ihrer heutigen Ausgabe: „Vier weitere Gewerbeflächen machen Wachstum möglich“ (12. November 2010). In dem kurzen Artikel wird berichtet, dass der Regionalverband Ruhr (RVR) – das ist der ehemalige Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR), der Zweckverband der kreisfreien Städte und Kreise – vier neue Groß-Gewerbegebietsflächen im Ennepe-Ruhr-Kreis ausgemacht habe. Die potentiellen Gewerbegebiete sind demnach jeweils über 25 Hektar groß und liegen in Witten, in Schwelm, in Wetter und im benachbarten Gevelsberg-Silschede. [Anm.: Im Presseartikel fehlte bei der Flächenangabe eine Null; richtig sind „über 250.000 Quadratmeter“ pro Gebiet. Insgesamt geht es im Kreisgebiet um mehr als 1.000.000 m², also um über einen Quadratkilometer neue Gewerbefläche.]
Bei der in Wetter anvisierten Fläche kann es sich eigentlich nur um das Gebiet „Am Stork“ zusammen mit den weiter nach Westen anschließenden und ebenfalls im Landschaftsschutzgebiet liegenden Flächen an der „Vorderen Heide“ handeln. Dies weiß, wer sich an die Überlegungen der Stadt Wetter erinnert, die es vor einigen Jahren im Rahmen der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans (FNP) gab. Damals wurden sie aus guten Gründen wieder verworfen.
„Am Stork“ und „Vordere Heide“ in Wetter (Karte: © OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-by-sa-2.0)
Am Stork plant die Stadt Wetter bereits die Ausweisung von gut 12 Hektar gewerblicher Baufläche. Die Aufstellung eines Bebauungsplans wurde Ende 2007 eingeleitet; das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die „Vordere Heide“ spielte in den dazugehörigen Beratungen vor Ort keine Rolle.
Entsprechende Gerüchte über aktuelle Vorhaben zur Ausdehnung des bislang „nur“ kommunal geplanten Gebiets „Am Stork“ in Form eines städteübergreifend organisierten und mehr als doppelt so großen interkommunalen Gewerbegebiets kursieren allerdings schon länger. Sie wurden u.a. bei unserer Wanderung mit dem NABU thematisiert. Wir waren also vorgewarnt und haben daher auch die wenigen öffentlich vorliegenden Informationen aufmerksam verfolgt.
Am Stork im Sommer 2010 – Große Teile des abgebildeten Bereichs (Wald und Felder) sollen nach bisherigem Planungsstand der Stadt Wetter Gewerbegebiet werden; etwas oberhalb der Bildmitte soll quer eine Erschließungsstraße gebaut werden. Die „Vordere Heide“ befindet sich links außerhalb des Bildrands. (Foto: © IG Stork)
Hintergründe
Hintergrund des heutigen Presseberichts dürfte die 2009 eingeleitete Erstellung eines Konzepts zur Interkommunalen Gewerbegebietsentwicklung im Ennepe-Ruhr-Kreis seitens des Regionalverbands Ruhr (RVR) und des EN-Kreises sein.
Bislang sind davon nur grobe Eckpunkte und sehr allgemein gehaltene Absichtserklärungen bekannt. Klar ist u.a., dass die Planer von kreisweit über 20 Potentialflächen drei bis vier „Idealgebiete“ auswählen wollten. Konkrete Flächen wurden allerdings nicht mitgeteilt, weil es sich um „äußerst sensible“ und „politisch heikle“ Angelegenheiten handle, so die in öffentlichen Sitzungen im Schwelmer Kreishaus mündlich vorgetragene Begründung für die Informationszurückhaltung. Offen geäußert wurde dabei auch die Befürchtung, dass eine frühzeitige Bekanntgabe sowohl die Bürger der betroffenen Gemeinden als auch die – bisher nicht am Prozess beteiligten – Lokalpolitiker „in Aufruhr“ versetzen könnte. Vielmehr wurde es als geschickter erachtet, erst dann an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn „alles in trockenen Tüchern“ sei, sprich: wenn die fraglichen Flächen bereits zwischen RVR, Ennepe-Ruhr-Kreis und Verwaltungsspitzen der kreisangehörigen Gemeinden ausgehandelt seien.
Diese Festlegung auf vier konkrete Gebiete ist jetzt offenbar in den letzten Wochen erfolgt. Eine entsprechende Information – jedoch weiterhin ohne präzise Flächenbenennung – gab es vorgestern, am 10. November 2010, bei einer Sitzung des Kreisentwicklungsausschusses in Schwelm. Spätestens seit Anfang des Jahres 2010 waren grundsätzlich die Verwaltungsspitzen – Bürgermeister und bestimmte Mitarbeiter – aller Städte des EN-Kreises informiert und an internen Diskussionen sowie an vorbereitenden Gebietsabstimmungen beteiligt. Für Wetter ist dies u.a. Bürgermeister Frank Hasenberg (SPD). Darüber hinaus bekamen dem Vernehmen nach lediglich die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen etwas genauere Informationen. Weder die normalen Kreistagsmitglieder, noch die Ratsmitglieder der Städte, geschweige denn interessierte Bürger erhielten bislang Auskunft über die Flächenauswahl.
Zusätzlich wichtig: Der mit der Konzepterarbeitung betraute Regionalverband Ruhr ist in unserem Bereich seit Kurzem nicht nur kommunaler Zweckverband, sondern hat auch Regionalplanungshoheit. Die Zuständigkeit für den ehemals Gebietsentwicklungsplan (GEP) genannten Regionalplan, der bei Neuausweisungen großer Gewerbegebiete erst geändert werden muss, übernahm er Ende 2009 vom Regierungsbezirk bzw. von der Bezirksregierung Arnsberg. Anders als diese klassische Landesmittelbehörde ist der RVR stärker politisch dominiert. Die Verbandsversammlung, das „Ruhrparlament“, besteht dabei aus Repräsentanten der RVR-angehörigen Städte und Kreise. Auch vertritt der RVR explizit wirtschaftliche Interessen, was sich nicht zuletzt in diversen Beteiligungen und Eigenbetrieben äußert, z.B. bei der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (wmr), in deren Beirat u.a. die Industrie- und Handelskammern vertreten sind, und die etwa Gewerbeflächenerhebungen durchführt, die wiederum eine Grundlage politischer Beratungen auch im EN-Kreis bilden.
Was war bisher bekannt?
In der Drucksache 12/0052 des RVR-Planungsausschusses vom 22. Februar 2010 (nicht direkt verlinkbar, aber über das Gremien-Informationssystem des Ruhrparlaments als PDF-Datei abrufbar) hieß es zum Beispiel:
„Der Regionalverband Ruhr erarbeitet in Kooperation mit der Verwaltung des Ennepe-Ruhr-Kreises ein Gewerbeflächenkonzept. Ziel des Verfahrens ist – unter Berücksichtigung aktualisierter Flächenbedarfsprognosen – eine kreisweite Betrachtung geeigneter Flächen, die von Ihrer Größe, Topografie, Anbindung, räumlichen Lage zu immissionsempfindlichen Nutzungen, planerischen Restriktionen etc. für eine gewerbliche Nutzung in Frage kommen können. Diese Betrachtung soll unter besonderer Einbeziehung entgegenstehender Flächenansprüche erfolgen.“
Dem Protokoll der Sitzung des Kreisentwicklungsausschusses am 8. Juni 2010 war dann zu entnehmen:
„Unter Federführung des Kreises und des Regionalverbandes Ruhr (RVR) als Regionalplanungsbehörde, ist deshalb ein Suchprozess eingeleitet worden, durch den mögliche Standorte für 2-4 interkommunale Gewerbegebiet[e] im Kreisgebiet identifiziert werden sollen.“
Und in der Drucksache 12/0114 des RVR-Planungsausschusses vom 3. August 2010 (ebenfalls als PDF abrufbar) stand dann u.a.:
„Es sollen zugleich die Restriktionen ermittelt und bewertet werden. Dabei soll die Bewertung Flächen ermitteln, deren Entwicklung die geringsten Eingriffe mit sich bringt. Ziel ist es, 3-4 größere für eine interkommunale Entwicklung geeignete Flächen zu identifizieren.“
Wie geht es weiter?
In den nächsten Wochen und Monaten, wahrscheinlich Anfang 2011, soll der Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises das Konzept beraten und die getroffene Flächenauswahl beschließen, eventuell als Prioritätenliste. Danach „dürfen“ sich auch die Räte der kreisangehörigen Gemeinden und die breite Öffentlichkeit damit beschäftigen.
Sollte auf Kreisebene tatsächlich am Standort Wetter festgehalten werden, so würde sich kurz- oder mittelfristig ein Regionalplan-Änderungsverfahren daran anschließen. Auf dessen Grundlage könnte die Stadt Wetter dann ihren Flächennutzungsplan (FNP) ändern und einen neuen Bebauungsplan aufgestellen (beides sind Verfahren mit Bürgerbeteiligung). Der Regionalplan gibt dabei den raumordnerischen Rahmen vor, in dem sich lokale Planungen bewegen können. Wenn also im Regionalplan irgendwo ein „Bereich für gewerbliche und industrielle Nutzungen“ eingezeichnet ist, dann darf eine Stadt dort prinzipiell ein Gewerbegebiet ausweisen, sie muss es aber nicht. Umgekehrt kann eine Stadt nicht einfach ein Gewerbegebiet an einer Stelle in die Landschaft setzen, wo der Regionalplan etwas anderes vorsieht. – Da Flächennutzungs- und Bebauungspläne ureigene Angelegenheiten der Gemeinden sind, kann solch ein interkommunales Gewerbegebiet in Wetter folglich nur entstehen, wenn die Lokalpolitik es so will.
Welche Auswirkungen das alles auf die bisherigen Planungen der Stadt Wetter zu einem Gewerbegebiet „Am Stork“ und auf die vielfältigen Diskussionen dazu haben wird, ist noch unklar. Momentan befindet sich das Bebauungsplanverfahren in der Phase vor einer zweiten Offenlegung. Bekanntlich müssen die ersten Pläne von 2009 u.a. in Fragen der Erschließung und der Waldinanspruchnahme grundlegend überarbeitet werden, siehe dazu den Bericht zum Ratsbeschluss im März 2010. Wir rechnen daher in der nächsten Zeit mit einem geänderten Bebauungsplanentwurf und für 2011 dann mit einer erneuten Bürgerbeteiligung inkl. Einspruchsmöglichkeiten. – Die Einwendungen aus der ersten Offenlegung warten, nebenbei bemerkt, seit gut einem Jahr auf Beratung im zuständigen Gremium.
Im Anschluss an den heutigen Presseartikel werden sicher etliche Diskussionen ausgelöst, durch die vermutlich noch weitere Aspekte bekannt werden. Wir halten Sie natürlich hier und per E-Mail-Rundbrief auf dem Laufenden.
Jetzt sind wir also auch in Silschede wieder dran. Wollen die eigentlich die komplette Landschaft zupflastern ? was denken die sich bloß dabei ?
Danke für die Informationen, I.G. Stork. Bitte laden sie mich auch zu ihrem nächsten Treffen ein.
volmarstein war vor 15 jahren noch malerisch schön. wie dieser ort jetzt ausverkauft wird, ist eine absolute schande. absolut peinlich und ein zeichen für grobe fehlplanung ist auch das katastrophale verkehrsaufkommen am frühen morgen rund um das schöllinger feld in richtung autobahn. extrem unfallgefährdet sind die kinder, die die schmandbrucher schulen besuchen und per fahrrad oder zu fuss unterwegs sind.
danke, an die ig. stork, für ihren einsatz.
Volmarstein besteht nur noch aus neuen Wohnbauflächen (Köhlerstraße) und Gewerbegebieten (Am Stork – geplant). Ich bin dort aufgewachsen und wundere mich immer mehr über die Vernichtung von Grün- und Waldflächen in Volmarstein. Ich halte die Auffassung der Wirtschaftsförderung, immer neue Gewerbegebiete auszuweisen, für absolut falsch. Wieso soll ein interkommunales Gewerbegebiet mit Gevelsberg ausgewiesen werden, wenn die in Gevelsberg fast 10 Jahre gebraucht haben, um das Gewerbegebiet in Silschede zu besiedeln? Da wären die Gevelsberger ja schön blöd, wenn sie die ganze Kohle für die Planungs- und Erschließungsmaßnahmen verpulvern würden und kein Schwein siedelt sich dort an…