Es ist so bitter wie wahr: Am 22. November 2012 hat der Rat der Stadt Wetter mit nur knapper Mehrheit den verfahrensabschließenden Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 60 „Gewerbegebiet Am Stork“ gefasst.
Beschlossen wurde damit ein Bebaungsplan, der – von wenigen Anpassungen abgesehen – sehr dem ersten Planentwurf von 2009 ähnelt, der bekanntlich große Bürgerproteste hervorrief. Eine Bilanz, was genau sich in den letzten drei Jahren „bewegt“ hat und „was nun Sache ist“, werden wir bei Gelegenheit mal veröffentlichen.
Sitzungsbeginn und Fragen
Die Ratssitzung begann bereits um 14 Uhr. Trotz der ungünstigen Tageszeit schafften es doch mehrere Bürger teilzunehmen; die Zuhörerreihen im Stadtsaal waren voll besetzt.
Kurz vor der Sitzung: Ratsmitglieder im Stadtsaal (Foto: © IG Stork)
Kurz nach Beginn, beim Punkt „Einwohneranfragen“, konnten einige Fragen an den Bürgermeister und die Verwaltung gestellt werden. Dabei ging es u.a. um die Auswirkungen der „Investorenlösung“, die Verkehrsproblematik, die Berücksichtigung von Einwänden im Abwägungsprozess, die prognostizierte Zahl „neuer“ Arbeitsplätze, die Planablehnung durch die Stadt Gevelsberg sowie um die im Presseartikel „Autohaus wollte Grund verkaufen“ angerissene Thematik. Die meisten Antworten fielen gewohnt knapp aus. Einige Fragen wurden nicht, nur allgemein oder ausweichend beantwortet. Nach rund 10 Minuten war schon der nächste Tagesordnungspunkt dran.
Politische Diskussion
Um 15.15 Uhr rief der Bürgermeister den Punkt 7 zum Bebauungsplan auf und der Rat versuchte sich an einer Debatte darüber. Einige Fraktionen hatten Redebeiträge und Protokollnotizen vorbereitet und verlasen diese. Insgesamt glich die Diskussion eher einem Schlagabtausch als einem konstruktiven Ringen um die besseren Argumente und einer Kompromissfindung, die bei relevanten Details durchaus noch möglich gewesen wäre. Fast alle Redner nahmen die Wörter „verantwortungsvoll“ und „verantwortlich“ in den Mund – ein klassisches Anzeichen polarisierter Situationen. Für merkliche Unruhe im Saal sorgten insbesondere die in vielerlei Hinsicht gegensätzlichen Reden von SPD und Grünen.
Damit alle Bürger, die der Sitzung nicht beiwohnen konnten, sich ein eigenes Bild machen können, würden wir hier gerne die Manuskripte aller gehaltenen Reden und ggf. weitere Beiträge (s.u.) verlinken. Dazu müssten die Fraktionen sie aber selbst online stellen, denn in der Sitzungsniederschrift sind sie nicht enthalten. Bislang ist ein Beitrag offen nachzulesen:
Bemerkenswert war eine klare Aussage von Bürgermeister Frank Hasenberg, mit der er sich auf Diskussionen der letzten Monate bezog (vgl. „Stadt dementiert Gespräche mit Logistikbetrieb“): „Logistikbetriebe können und wollen wir nicht ausschließen.“ Eine Verwaltungsvertreterin ergänzte, dass am Stork lediglich Speditionen durch die Gliederungen nach Abstandserlass ausgeschlossen wären.
Knapp eine Stunde später wurde schließlich abgestimmt.
Rede zum Stork: SPD-Fraktionsvorsitzender John Fiolka (Foto: © IG Stork)
Die Abstimmung
Über den Stork wurde namentlich abgestimmt, d.h. die Ratsmitglieder wurden einzeln aufgerufen und mussten mündlich mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ ihre persönliche Entscheidung kundtun. Die jeweiligen Voten wurden protokolliert, siehe dazu die Niederschrift der Sitzung.
Mit Ja stimmten insgesamt 21 Personen:
- die SPD-Fraktion (14)
- die FDP-Fraktion (4)
- die BfW-Fraktion (2)
- der SPD-Bürgermeister Frank Hasenberg (1)
Mit Nein stimmten insgesamt 18 Personen:
- die CDU-Fraktion (9)
- die Grünen-Fraktion (6)
- die UWW-Fraktion (2)
- das NPD-Ratsmitglied (1)
Enthaltungen gab es nicht. Anzumerken ist noch, dass zwei Ratsmitglieder von CDU und BfW nicht an der Sitzung teilnehmen konnten. Wären sie da gewesen, dann hätte es – gemäß entsprechender Erklärungen – zusätzlich 1 Nein und 1 Enthaltung gegeben; an der grundsätzlichen Entscheidung zum Gewerbegebiet hätte das allerdings nichts geändert.
Anschließend ging es vor allem um den Haushalt 2013.
Gegenstand der Abstimmung: der Bebauungsplan (Foto: © IG Stork)
Was passiert nun?
Wahrscheinlich schon in den nächsten Tagen wird die amtliche Bekanntmachung des Bebauungsplans in der Lokalzeitung erscheinen. An diesem Tag wird der Plan dann rechtsgültig und es kann, zumindest theoretisch, umgehend mit der Erschließung (Straßen- und Kanalbau, vorbereitende Waldrodung usw.) begonnen werden. Dies steht aber unter gewissen Vorbehalten:
- Bürgermeister Frank Hasenberg erklärte in der Sitzung, dass die Politik zuerst eine Lösung für die Verkehrsprobleme im Volmarsteiner Süden finden müsse. Zitat: „Bevor wir nicht wissen, wie wir die ganze Verkehrssituation lösen, werden wir nicht mit der Erschließung beginnen.“ – Dazu wies er auf den Umwelt- und Verkehrsausschuss hin, der weitere Schritte vermutlich Anfang 2013 beraten soll.
- Hasenberg erklärte außerdem, dass zuerst ein privater Investor für die Erschließung gefunden werden müsse (worüber dann wieder der Rat zu befinden hat). Auf Nachfrage sagte er ausdrücklich zu, dass „bis dahin nichts im Gelände geschehen und kein Baum gefällt“ werden würde.
Was bleibt also noch?
Ist ein Bebauungsplan erstmal beschlossen, dann sind die Aussichten, ein Gebiet tatsächlich noch von Bebauung freihalten zu können, deutlich geringer als vorher, gar keine Frage.
Andererseits gilt: Solange die Bagger noch nicht angerollt sind, gibt es immer noch einen Rest Hoffnung. Außerdem haben wir uns sicher nicht mehrere Jahre engagiert, um dann, wenn’s konkret wird, die Brocken vorzeitig hinzuschmeißen.
Im Grunde genommen bleiben jetzt zwei Möglichkeiten:
- Wir werden prüfen, wie genau sich – angesichts diverser Verfahrens- und u.E. erheblicher Abwägungsmängel – die verbleibenden rechtlichen Möglichkeiten darstellen (vgl. Basisinfo) und ob wir sie nutzen werden.
- Sofern die Stadt bis zur nächsten Kommunalwahl 2014 keine bindenden Verträge abschließt (Erschließung/Flächenverkauf), könnte der Bebauungsplan von einer neuen Ratsmehrheit einfach weiter „liegen gelassen“ oder unter Umständen sogar wieder aufgehoben werden.
Wie erfolgversprechend bzw. wahrscheinlich die einzelnen Optionen sind, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Naturgemäß gibt es auch – je nach persönlichem Hintergrund – unterschiedliche Einschätzungen dazu: Manch einer überlegt, ob die SPD es wirklich riskieren wird, kurz vor der Wahl mit einer Riesenbaustelle am Stork den Unmut potentieller Wähler auf sich zu ziehen. Manch anderer überlegt eher, ob die Verwaltung nicht jetzt erst recht Druck machen und in Kürze den (gerüchteküchenmäßig schon länger ausgeguckten) „privaten Investor“ aus dem Hut zaubern wird. Wieder andere möchten sich lieber auf den juristischen Weg verlassen. Des Weiteren ist unklar, ob und wie schnell sich die Verkehrsprobleme im Volmarsteiner Süden überhaupt realistisch lösen lassen. Da ist also noch einiges offen.
Gerade beim Thema Verkehr ist auf jeden Fall weitere Bürgerbeteiligung auch 2013 gefragt! Wir werden die nächsten Schritte aufmerksam begleiten und Sie über unseren Rundbrief auf dem Laufenden halten.
Bürgerbegehren?
In den letzten Tagen kursierte die Vermutung, dass wir doch ein Bürgerbegehren starten und damit einen Bürgerentscheid einleiten könnten. Mit unserer Unterschriftensammlung 2009 hatten wir schließlich die Hürde, die für ein Bürgerbegehren in Wetter besteht, auf Anhieb übersprungen (Unterzeichnung durch mind. 8 Prozent der Wahlberechtigten).
Aktuell genährt wurde diese Hoffnung u.a. durch missverständlich formulierte Handreichungen, die sich teilweise auf die Rechtslage in anderen Bundesländern bezogen, und durch ungenaue Presseartikel über „den ersten Bürgerentscheid zu einem Bebauungsplan in NRW“ (das entsprechende Bürgerbegehren wurde 2012 von der BI Sassenberg im Kreis Warendorf auf den Weg gebracht, es ging um einen Aufstellungsbeschluss, also den ersten Schritt in einem Bebauungsplanverfahren).
Fakt ist, dass bei der konkreten Stork-Planung ein Bürgerbegehren rechtlich noch nie zulässig war und auch heute leider nicht zulässig ist.
Erläuterung:
Geregelt sind Bürgerbegehren in § 26 der Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen. Als Elemente der direkten Demokratie wurden Bürgerbegehren und Bürgerentscheide 1994 in unsere Kommunalverfassung aufgenommen. Von Anfang an kategorisch ausgeschlossen waren jedoch Bürgerbegehren u.a. zu Bauleitplänen (das ist der Oberbegriff für Flächennutzungs- und Bebauungspläne). Mittlerweile, seit einer Gesetzesänderung 2011, sind zu Bauleitplänen in NRW immerhin (aber auch ausschließlich) Bürgerbegehren über verfahrenseinleitende Beschlüsse zulässig. Der einleitende Aufstellungsbeschluss zum Stork wurde allerdings schon Ende 2007 getroffen. Damals galt die heutige Regelung noch nicht. Und jetzt, 2012, geht es um den verfahrensabschließenden Satzungsbeschluss. Dazu ist ein Bürgerbegehren nach wie vor unzulässig.
Zitat aus der aktuellen GO NRW (§ 26 Abs. 5):
„Ein Bürgerbegehren ist unzulässig über
(…)
4. Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens oder eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind,
5. die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen mit Ausnahme der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens.“
Links
- Das Top Thema in Volmarstein (UWW, 18.11.2012)
- Selbst Schuld? (UWW, 22.11.2012)
- Rat beschließt Gewerbe am Stork (WR/WP, 23.11.2012)
- Rat beschließt Gewerbe ‚Am Stork‘ (FDP, 23.11.2012)
- Haushalt verabschiedet, Stork kommt (Stadt Wetter, 26.11.2012)
Das darf doch alles nicht wahr sein!!!!!!!!!
Wegen ein paar alten Hanseln, die alles abnicken, ist der Stork futsch? Ich fass es nicht. Wetter ist im moment ne echt ätzende Stadt.
Schade! ich hab wirklich gehofft, dass wenigstens einige jüngere SPD-ler ins Nachdenken kommen, die reden doch sonst so viel von Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit.
[…] Damit ist die Bebauungsplansatzung nun – im Anschluss an den knappen Ratsbeschluss von November 2012 – rechtsgültig […]
[…] im November 2012 mit knapper Mehrheit den Bebauungsplan Nr. 60 zum Gewerbegebiet „Am Stork“ beschlossen (Satzungsbeschluss). […]